Heisser Wahlherbst: Teil 2
Schweizerinnen und Schweizer wählen ihr neues Parlament

Heisser Wahlherbst: Teil 2

News
Ausgabe
2023/10
DOI:
https://doi.org/10.4414/phc-d.2023.1266652179
Prim Hosp Care Allg Inn Med. 2023;23(10):292-293

Publiziert am 04.10.2023

Am 22. Oktober ist es soweit. Schweizerinnen und Schweizer wählen ihr neues Parlament. Damit wird das politische Fundament für die nächsten vier Jahre gelegt. Als politischer Berufsverband der Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte beschäftigen uns diese Wahlen stark, denn das neue Parlament wird wichtige und für uns relevante gesundheitspolitische Weichen stellen müssen. Tarif, Prävention, Tabak und natürlich der Mangel an Haus- und Kinderärztinnen und -ärzten: Diese Themen werden uns in den kommenden Monaten und Jahren intensiv beschäftigen. Und machen wir uns nichts vor, auch andere Fragen werden natürlich ebenfalls auftauchen.
Wir stellen Ihnen deshalb mit Kurzinterviews «unsere» Kandidatinnen und Kandidaten aus der Ärzteschaft vor. Damit verbunden ist auch eine parteiunabhängige konkrete Wahlempfehlung unseres Verbandes. Wir Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte brauchen engagierte Parlamentarierinnen und Parlamentarier im Bund und in den Kantonen. Die Stimme der Ärzteschaft, vor allem von uns Haus- und Kinderärztinnen und -ärzten, muss durch eine direkte Vertretung im Parlament gestärkt werden. Zudem ist es in unserem eigenen Interesse, Personen im Parlament zu wissen, die nicht nur über das Gesundheitswesen reden, sondern auch echte Expertise einbringen können.
Unterstützen Sie deshalb unsere Kandidatinnen und Kandidaten. Wir wünschen allen politisch engagierten Ärztinnen und Ärzten viel Erfolg!

Prof. Dr. med. Raoul Furlano

Verheiratet, zwei erwachsene Kinder. In Basel geboren und heute mein Zuhause. Vier Jahre im Ausland gelebt und weitergebildet (USA/ UK). Nebst meinem Beruf als Kinderarzt (Leiter der Kindergastroenterologie & Ernährung am Universitäts Kinderspital beider Basel, UKBB) und Dozent (Uni Basel): Ehrenamtliche Engagements in Stiftungen, Vereinen, Berufsverbänden und Institutionen, gewählter Grossrat der LDP Basel und Fraktionspräsident, Vizepräsident der Basler Gesundheitskommission, Mitglied an der Subkommission Klima. Familienmensch. Charakter: offen, zugänglich, gut organisiert, geradlinig, ehrlich, kontrolliert emotional, gewohnt hart und viel zu arbeiten.

Raoul Furlano

Welches sind Ihre politischen Schwerpunkte?
Gesundheitswesen- Demografische Entwicklung- Klimawandel
Haben sie im Kanton bereits Gesundheitspolitik gemacht, wenn ja, zu welchen Themen?
Ja, als Mitglied und Vize-Präsident der kantonalen parlamentarischen Gesundheitskommission, aber auch innerhalb meiner Partei, beschäftige ich mich seit Jahren mit Fragen des Gesundheitssystems und habe zahlreiche Vorstösse zu diesem Thema eingereicht, die zum Teil auch erfolgreich umgesetzt wurden.
Welches gesundheitspolitische Thema erhält Ihrer Meinung nach aktuell im nationalen Parlament zu wenig Beachtung?
Die Gesundheitskosten bzw. die Bewältigung dieser Kosten, dann aber auch der Fachkräftemangel und die schwierige Umsetzung der Pflegeinitiative. Die Biodiversität, auch im Sinne des Wohlergehens der Menschheit, liegt mir am Herzen und erhält meines Erachtens zu wenig Beachtung.
Wie kann und soll die Politik die medizinische Grundversorgung stärken und wo liegen
dafür die grössten Chancen?
  • Die Politik kann mehr Mittel in unser Gesundheitssystem lenken, um die Infrastruktur und die personellen Ressourcen zu stärken.
  • Anreize schaffen, damit Ärztinnen und Ärzte und medizinisches Personal in unterversorgte Gebiete ziehen und dort arbeiten.
  • Förderung von Telemedizin und digitalen Gesundheitslösungen.
  • Engere Zusammenarbeit mit der privaten Gesundheitsversorgung.
  • Gesundheitskompetenz der Bevölkerung verbessern, damit die Menschen besser informierte Entscheidungen über ihre Gesundheit treffen können.
Wie sieht Ihr persönliches «Rezept für eine gesunde Schweiz» aus? Wofür wollen Sie sich ganz besonders engagieren?
  • Der demografische Wandel hat Auswirkungen auf Rentensysteme, Gesundheitsversorgung, Arbeitsmarktbedingungen. Dank meiner guten Kenntnisse möglicher Gesundheitssysteme und Vernetzung mit Stakeholdern will ich dazu beitragen unsere Schweizer Gesundheitsversorgung innovativer und kostengünstiger zu gestalten.
  • Den Forschungs- und Innovationsstandort Basel erhalten und weiter stärken und dies den Kolleginnen und Kollegen in den Räten klar machen, dass es hier nicht um kantonale Partikularinteressen geht, sondern um einen Akt von nationaler und internationaler Bedeutung.
mfe setzt sich für die politischen Anliegen der Haus- und Kinderärztinnen und Kinderärzten ein – wo liegen für ihre Partei in der kommenden Legislatur die grössten politischen Herausforderungen?
Die Kosten des Gesundheitswesens zu senken, dabei die Herkulesaufgabe zu lösen, die Qualität damit nicht zu beeinträchtigen und vor allem keine Zweiklassenmedizin durch «Globalbudgets» zu riskieren.
Warum soll die Leserschaft vom PHC ihre Stimme Ihnen geben?
  • Weil ich als Arzt (deutlich untervertetene Berufsgattung im Parlament) und Politiker viel Erfahrung aus der Praxis mitbringe und mich politisch schon lange engagiere.
  • Weil ich Dienst an der Gesellschaft zu leisten bereit bin, welche mir viel gegeben hat in meinem Leben und das Gemeinwohl fördern.
  • Weil ich gerne einen direkten Einfluss auf nationale politische Entscheidungen und Entwicklungen haben möchte, indem ich meine Ideen und Vorstellungen in die Politik einbringe.
Jokerfrage: Wer sollte ihrer Meinung nach neu das EDI und damit die Verantwortung für die Gesundheitspolitik im Bundesrat übernehmen?
Da ziehe ich auch den Joker und gebe eine diplomatische Antwort: Der/die gewählte Bundesrat/-rätin muss in der Lage sein, die Interessen des Landes zu vertreten und die Verantwortung für das EDI und die Gesundheitspolitik gewissenhaft wahrzunehmen. Eine schwierige Aufgabe, gute Köpfe sind rar.

Dr. med. Pierre-Alain Fridez, Nationalrat bisher, SP, Jura

Ich bin 1957 in Moutier geboren und habe meine Kindheit in Courrendlin verbracht. Nach dem Lycée in Porrentruy habe ich an der Medizinischen Fakultät der Universität Lausanne Medizin studiert (1976 bis 1982). Erwerb des eidgenössischen Diploms in Humanmedizin im Dezember 1982. Weiterbildung zum Allgemeinmediziner mit Praktika am CHUV (Gynäkologie und Geburtshilfe), im Spital Gimel (Gerontopsychiatrie) und in den Regionalspitälern Delémont (Innere Medizin) und Porrentruy (Chirurgie, Orthopädie, Innere Medizin und Pädiatrie).
Ende 1988 Eröffnung meiner allgemeinmedizinischen Praxis in Fontenais (JU). Ebenfalls seit 1988 Médecin répondant im Foyer Les Fontenattes in Boncourt, einer Einrichtung für Erwachsene mit geistiger Behinderung. Ausbildung in unizistischer Homöopathie.
Seit 1996 neben meiner medizinischen Tätigkeit politisch aktiv (12 Jahre Gemeindepräsident von Fontenais, ab 1999 Abgeordneter im Parlament des Kantons Jura [9 Jahre], ab 2011 Nationalrat), was ich noch einige Jahre fortsetzen möchte.
Ich bin verheiratet, Vater von 4 Kindern und habe 3 Enkelkinder. Seit 1996 bin ich Mitglied der Sozialdemokratischen Partei.

Pierre-Alain Fridez

Welches sind Ihre politischen Schwerpunkte?
Ich gehöre der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats an und bin auf diesem Gebiet zu einem Fachmann meiner Partei geworden. Ich möchte Sicherheitsfragen dahingehend weiterentwickeln, dass die heutigen Risiken für die Schweiz (Cyber, Terrorismus, Kriminalität, Extremereignisse im Zusammenhang mit dem Klimawandel) vorrangig berücksichtigt werden, vor allem zugunsten des Schutzes der Bevölkerung. Dabei ist zu bedenken, dass heute und morgen niemand in die Schweiz einmarschieren wird, da unsere geografische Lage inmitten des NATO-Gebiets uns objektiven Schutz bietet. Ich bin zudem Mitglied der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, wo ich mich mit Migrations- und Gesundheitsfragen befasse. Ich war 2020 und 2021 Vorsitzender des Migrationsausschusses und setze mich weiterhin für unbegleitete minderjährige Migrantinnen und Migranten und generell für eine würdevollere und offenere Migrationspolitik in den europäischen Ländern ein. In der Gesundheitspolitik bin ich ein entschiedener Verfechter der Einheitskasse, einer aktiven Politik im Bereich der Gesundheitsförderung und habe die Motion initiiert, die dazu führte, dass die Kostenerstattung für Fusspflegeleistungen, die bei Diabetikerinnen und Diabetikern durch Podologinnen oder Podologen erbracht werden, anerkannt wurde.
Haben sie im Kanton bereits Gesundheitspolitik gemacht, wenn ja, zu welchen Themen?
Als Abgeordneter habe ich mich bei der damaligen kantonalen Spitalreform für die Aufrechterhaltung einer bürgernahen Gesundheitsversorgung eingesetzt. Als Mitglied des Gesundheitsausschusses habe ich mich insbesondere für die Anerkennung der Osteopathie im Kanton Jura engagiert.
Welches gesundheitspolitische Thema erhält Ihrer Meinung nach aktuell im nationalen Parlament zu wenig Beachtung?
Die für einen wachsenden Teil der Bevölkerung untragbare Belastung durch die Krankenkassenprämien, da das System der Kopfprämien am Ende ist. Andererseits eine echte Unterstützung für die medizinische Grundversorgung. Das Bekenntnis dazu gibt es, ja … aber die Taten erreichen nur sehr langsam das Stadium der Konkretisierung. Dabei ist sie ein wesentlicher Hebel, um die Kosten zu dämpfen, eine bürgernahe Medizin zu gewährleisten und auf die grosse Herausforderung der Bevölkerungsalterung zu reagieren.
Wie kann und soll die Politik die medizinische Grundversorgung stärken und wo liegen dafür die grössten Chancen?
Die medizinische Grundversorgung muss das Fundament für die Versorgung der Bevölkerung werden, basierend auf gut ausgebildeten Allgemeinmedizinerinnen und -medizinern, die von zeitraubendem Verwaltungsdruck befreit und angemessen bezahlt werden, in direkter Zusammenarbeit mit einer flächendeckenden Versorgung durch lokale Spitäler, die in der Lage sind, das Alltägliche, das Wesentliche zu behandeln, wobei die geriatrische Versorgung wohl zu ihrer Haupttätigkeit wird. Das Komplizierte, das Spezielle sollte einer begrenzten Anzahl hochspezialisierter Spitäler vorbehalten bleiben.
Wie sieht Ihr persönliches «Rezept für eine gesunde Schweiz» aus? Wofür wollen Sie sich ganz besonders engagieren?
Eine Schweiz, die ein Land der sozialen Gerechtigkeit ist, mit einem starken sozialen Netz und einer Medizin, die menschlich bleibt, auf Beziehungen beruht und der Prävention einen hohen Stellenwert einräumt.
mfe setzt sich für die politischen Anliegen der Haus- und Kinderärztinnen und Kinderärzte ein - wo liegen für Ihre Partei in der kommenden Legislatur die grössten politischen Herausforderungen?
Heute ist das System der KVG-Finanzierung, das auf einer Kopfprämie beruht – einer wahrhaftig ungerechten Steuer, da sie für alle gleich ist, ohne das Einkommen zu berücksichtigen –, untragbar geworden und beansprucht einen immer höheren Anteil der Kaufkraft eines grossen Teils der Bevölkerung: Dies ist heute eine Priorität für die Sozialdemokratische Partei. Mit der Einführung einer Einheitskasse, da das derzeitige System einen Pseudo-Wettbewerb darstellt, der verhindert, dass die Prämien dem realen Kostenanstieg entsprechen, grosse Reserven erfordert und keine echte Präventionspolitik zulässt. Ein weiterer wesentlicher Punkt: Die Rahmenbedingungen müssen geschaffen werden, die es ermöglichen, in Zukunft einen echten medizinischen Nachwuchs zu gewährleisten.
Warum soll die Leserschaft vom PHC ihre Stimme Ihnen geben?
Wenn sie meine Kandidatur unterstützen, stimmen sie für jemanden, der ihre Probleme kennt und versteht, aber auch für jemanden, der bei allen Problemen immer den sozialen und menschlichen Aspekt in den Vordergrund stellt.
Jokerfrage: Wer sollte ihrer Meinung nach neu das EDI und damit die Verantwortung für die Gesundheitspolitik im Bundesrat übernehmen?
Meine gute Freundin Elisabeth Baume-Schneider natürlich, eine ehemalige Sozialarbeiterin, deren menschliche Qualitäten und wohlwollender Pragmatismus nicht mehr bewiesen werden müssen.
Sandra Hügli-Jost
Kommunikationsbeauftragte
mfe Haus- und Kinderärzte
Schweiz
Geschäftsstelle
Effingerstrasse 2
CH-3011 Bern
Sandra.Huegli[at]hausaerzteschweiz.ch

Kommentare

Mit der Kommentarfunktion bieten wir Raum für einen offenen und kritischen Fachaustausch. Dieser steht allen SHW Beta Abonnentinnen und Abonnenten offen. Wir publizieren Kommentare solange sie unseren Richtlinien entsprechen.