Wir packen das an

Wir packen das an

Hintergrund
Ausgabe
2024/03
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2024.1267915395
Schweiz Ärzteztg. 2024;105(03):14-19

Publiziert am 17.01.2024

Engagement
Vier Ärztinnen und Ärzte, die wollen, dass sich etwas bewegt: Jana Siroka, Bertrand Jacot Des Combes, Monika Reber und Marc Reynaud de la Jara setzen sich auf politischer Ebene für ihren Beruf ein. In verschiedenen Organisationen und mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Sie alle eint die Überzeugung, dass sie etwas verändern können. Wir stellen sie vor.

Brücken bauen für die Schweizer Ärzteschaft

Ins standespolitische Engagement ist Jana Siroka langsam reingewachsen: Als Assistentenvertreterin nahm ein Kollege sie mit an den Infoabend des Verbandes Schweizerischer Assistenz- und Oberärztinnen und -ärzte (vsao). «Dort wurden Themen angesprochen, die mich selbst beschäftigten. Zum Beispiel die Frage, wieso Assistenzärzte ausstempeln, danach aber weiterarbeiten.» So wurde Jana Siroka Vorstandsmitglied des vsao Basel. «Das bedeutete eine Sitzung pro Monat und eine Retraite jährlich.» Ein zeitlicher Aufwand, der gut machbar sei. Als Jana Siroka nach Zürich ans Universitätsspital wechselte, schloss sie sich der Zürcher Sektion des vsao an, die rund 5000 Spitalärztinnen und -ärzte vertritt, und wurde bald zur Präsidentin gewählt. Angst davor, dass sich ihr Einsatz negativ auf die eigene Laufbahn auswirken könnte, hatte sie nie: «Ich möchte nicht in einer Institution arbeiten, die ein solches Engagement negativ wertet. Eine gute Chefärztin freut sich über engagierte Menschen im Team.»
Von Zürich zog sie 2020 zurück ins Baselland, wo sie aufgewachsen ist. «Ich wollte es standespolitisch etwas gemütlicher nehmen und mich auf meine Stelle als Leitende Ärztin an der Klinik Arlesheim konzentrieren.» Doch dann kam die Anfrage, ob sie für den FMH-Zentralvorstand kandidieren wolle. Sie wollte – und wurde gewählt. «Das war ein grosser Sprung. Von der lokalen Standespolitik in die nationale mit sehr komplexen Dossiers. Glücklicherweise kann ich mich auf die hochkompetenten Expertinnen und Experten der FMH verlassen, die mich im Detail über Geschäfte updaten.» So könne sie sich auf das konzentrieren, was ihr liege: «Menschen vernetzen, Brücken bauen, Ideen umsetzen, im richtigen Moment bei der richtigen Person die richtige Botschaft anbringen.»
Im FMH-Zentralvorstand ist Jana Siroka für das Departement Stationäre Versorgung und Tarife zuständig. Sie schätzt, dass sie in der FMH auf Menschen trifft, die sich für die gleichen Werte einsetzen. «Mir ist der Raum zwischen Ärztin und Patient heilig. Um die hohe Versorgungsqualität zu erhalten, müssen wir diesen Raum, diese Zeit schützen.» Natürlich brauche es einen langen Atem, um Veränderungen zu bewirken. «Auf lokaler Ebene war es einfacher, konkrete Ergebnisse zu erzielen – etwa eine bessere Regelung zu den Pausenzeiten für die Assistenzärzte. Dafür kann man auf nationalem Niveau viel grössere Veränderungen anstossen.»
Wie bringt die Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin und Intensivmedizin mit Spezialisierung in Anthroposophischer Medizin ihr Engagement mit dem Beruf in Einklang? «Ich habe eine hohe Arbeitslast. Aber ich habe auch eine grosse Selbstwirksamkeit und Möglichkeiten, meine Zeit einzuteilen. Ich liebe meine Arbeit in der Klinik Arlesheim und in der FMH. Sie macht Sinn für mich und ich arbeite an beiden Orten mit Teams, in denen wir gemeinsam an einem Strick ziehen.» Sie würde sich wünschen, dass sich mehr Ärzte und Ärztinnen standespolitisch engagieren. «Kolleginnen und Kollegen unterschätzen oft, was sie politisch erreichen können. Wir haben durch die FMH eine starke Vertretung national – dazu brauchen wir tatkräftige Ärztinnen und Ärzte.»
Dr. med. Jana Siroka ist Leitende Ärztin, Innere Medizin in der Klinik Arlesheim und im FMH-Zentralvorstand für das Departement Stationäre Versorgung und Tarife zuständig. Ausserdem ist sie Verwaltungsrätin der EMH AG, die die Schweizerische Ärztezeitung herausgibt.
© Christian Jaeggi
Dr. med. Bertrand Jacot Des Combes, Facharzt für Diabetologie und Endokrinologie, hat vor Kurzem seine Praxis übergeben und konzentriert sich nun auf die Konsultationen, die er bei sich zu Hause durchführen kann, sowie auf seine Tätigkeiten in mehreren Unternehmen mit engem Bezug zum Gesundheitswesen.

Voller Einsatz

Bertrand Jacot Des Combes hat sich gleich zu Beginn seiner Karriere dafür entschieden, im medizinischen Leben der Romandie und auf nationaler Ebene aktiv zu werden. Er ist sowohl in der Standespolitik als auch in der Kommunalpolitik und im Gemeindeleben engagiert. Schon immer angezogen von den «öffentlichen Angelegenheiten», teilte er sein Berufsleben zwischen Praxis und Spital auf, erst als Leitender Arzt und dann als Berater. Seine Karriere begann am Universitätsspital Lausanne in der Inneren Medizin und der Forschung. Es folgten Stationen in England und anschliessend am Universitätsspital Genf (HUG). Hier legte er den Grundstein für sein Engagement, indem er zunächst der Ethikkommission für klinische Forschung des HUG beitrat und später mit Prof. J. Fabre die Ethikkommission «Medizin für ambulante klinische Forschung» gründete.
Anschliessend rief er mit Berufskollegen die «Groupe des endocrinologues praticiens de Genève» ins Leben und beteiligte sich an der Gründung einer gleichen Gruppe auf nationaler Ebene. Dies als Reaktion auf die für Des Combes absurd anmutende Preisgestaltung für ambulante medizinische Behandlungen, die von Spital- und Universitätsseite eingeführt wurde.
Als Endokrinologe war er zwölf Jahre lang Mitglied des Rates der Ärztegesellschaft des Kantons Genf (AMGe), um sich für die Interessen der Ärzteschaft einzusetzen. Und er war Vorsitzender der Société Médicale de Genève (SMGe), der er während mehr als zehn Jahren auch als Generalsekretär vorstand.
In den vergangenen zwölf Jahren war Bertrand Jacot Des Combes als Vizepräsident der Medizinischen Gesellschaft der Romandie (SMSR) tätig. Das offizielle Publikationsorgan der standespolitisch geprägte SMSR ist die «Revue Médicale Suisse» ‒ hervorgegangen aus der Fusion der «Revue Médicale de la Suisse Romande» und des «Journal Médecine & Hygiène». Immer wieder hat sich Bertrand Jacot Des Combes’ Begeisterung für die Medien gezeigt. Er engagierte sich im Vorstand der Gruppe «Medizin & Hygiene» und war federführend daran beteiligt, das Fortbestehen der «Revue Médicale Suisse» zu sichern, indem er die SMSR und die FMH dafür gewinnen konnte, diese zu subventionieren. Das zufriedenstellende Ergebnis verheisst nun Gutes für den Übergang ins digitale Zeitalter. Des Combes beharrt allerdings darauf, dass hinter jedem Erfolg eine ganze Gruppe stehe und schwierig zu messen sei, inwieweit seine eigenen Aktivitäten entscheidend gewesen seien ‒ oder eben nicht.
Aber warum so viel Engagement? Dieser fast angeborene Drang sei ein immer selteneres Gut in der Standespolitik insbesondere im 21. Jahrhundert. «Man reicht den kleinen Finger und sie nehmen die ganze Hand», sagt Des Combes schmunzelnd. Das Engagement der jüngeren Generationen werde schmerzlich vermisst. Dies sei umso bedauerlicher, als die Rolle des «Zuschauers», die gerade auch durch die zunehmende Inanspruchnahme der Ärztinnen und Ärzte in medizinischen Fachgruppen erklärbar sei, den Administratoren freie Hand lasse. Diese würden die Realität vor Ort nicht kennen und dazu neigen, der ambulanten Medizin ein eher «merkantiles» Image zu geben. Dieses jedoch sei weit entfernt von der individuellen Arzt-Patienten-Beziehung, sagt Bertrand Jacot Des Combes.
Dr. med. Monika Reber ist Fachärztin für Allgemeine Innere Medizin und Mitinhaberin der
Praxisgemeinschaft für Hausarztmedizin in Langnau i.E. Daneben ist sie Vorstandsmitglied im Verband Haus- und Kinderärzte Schweiz.
© mfe

Verändern statt akzeptieren

Eine Frau, die ihr Motto lebt: Das ist Monika Reber. Seit ihrer Assistenzarztzeit setzt sich die Hausärztin für die Belange ihres Berufs ein. «Ich habe Freude am Mitgestalten und kann mich nur schlecht mit Gegebenheiten abfinden, die man aus meiner Sicht verändern sollte», sagt die Bernerin. Deshalb sei sie bereits in der Weiterbildung hin und wieder ihren Vorgesetzten «auf die Füsse getreten», wenn sie mit etwas nicht einverstanden gewesen sei. Damals allerdings noch ohne Anbindung an eine Organisation.
Diese kam erst, als sie 2005 an einem internationalen Kongress für angehende Hausärztinnen und Hausärzte teilnahm und feststellte: «Die verstehen sich ja bereits vor Eintritt in die Praxis als Hausärztinnen und Hausärzte!» Das beeindruckte Reber und so entstand auf der Rückfahrt im Zug die Idee, auch in der Schweiz aktiv zu werden. Mit Gleichgesinnten gründete sie die Organisation Junge Haus- und KinderärztInnen Schweiz (JHaS), der Reber von 2006 bis 2009 als Initiantin und Präsidentin vorstand.
Ein zweites Schlüsselerlebnis sei für sie die Hausärzte-Demonstration am 1. April 2006 gewesen. «Es war sehr eindrücklich, die vielen Ärztinnen und Ärzte zu sehen, die gemeinsam für etwas einstanden.» Monika Reber wurde Teil des Initiativkomitees «Ja zur Hausarztmedizin» und erlebte so den ganzen politischen Prozess bis zur Abstimmung mit.
Zu Beginn bedeutete ihr Engagement neben Praxistätigkeit und zwei kleinen Kindern allerdings viel Nachtarbeit. Rückblickend meint Reber: «Manchmal ist es gut, wenn man nicht weiss, was auf einen zukommt.» Sonst hätte sie sich vielleicht nicht darauf eingelassen. Nun ist sie begeistert davon, wie weit die JHaS und die Hausärzteschaft als Ganzes gekommen sind.
Diese Langzeitperspektive ist es denn auch, die sie heute interessiert. Herausfinden, was sich verändern lasse, wie man Einfluss nehmen könne: Das mache ihr Spass. Ebenso der Austausch mit Kolleginnen und Kollegen in der ganzen Schweiz. Gleichzeitig gibt sie sich keinen Illusionen hin. «Max Weber sagte nicht umsonst: ‹Politik ist wie das starke langsame Bohren von harten Brettern mit Leidenschaft und Augenmass.› Oft geht es nach einem Schritt vorwärts zwei zurück.» Doch ohne Optimismus könne man keine Politik machen, und so bleibt Monika Reber dran.
Seit 2021 setzt sie sich im Vorstand des Verbands Haus- und Kinderärzte Schweiz mfe ein mit Fokus auf die Nachwuchsförderung. Zuvor war sie Präsidentin beim Verein Berner Haus- und KinderärztInnen, nahm als Delegierte in verschiedenen Gremien Einsitz und war Verwaltungsrätin bei den Universitären Psychiatrischen Diensten Bern.
Inzwischen muss sie für ihr Engagement auch nicht mehr nachts arbeiten. Als ihre Kinder älter wurden, verzichtete sie darauf, ihr Pensum in der Praxis zu erhöhen – und investierte die frei werdenden Ressourcen stattdessen in die Verbandsarbeit. Eine Entscheidung, die sie nie bereut habe. «Es ist enorm wichtig, dass wir uns einbringen und darauf aufmerksam machen, wie die Rahmenbedingungen für unseren Beruf sein sollten. Nicht nur für uns, sondern auch für die Bevölkerung, die genügend gut ausgebildete und motivierte Haus- und Kinderärztinnen und -ärzte benötigt.» Deshalb würde sich Monika Reber auch wünschen, dass sich noch mehr Medizinerinnen und Mediziner standespolitisch engagieren.
Und was ist nun ihr Motto? «Do what you can, with what you have, where you are», ein Zitat von Theodore Roosevelt.
Marc Reynaud de la Jara studiert Medizin an der Universität Lausanne und ist Mitglied des Advocacy Board der Swiss Medical Students’ Association.

Ein überlegter Kämpfer

NZZ, 20 Minuten, Tagesanzeiger und viele andere berichteten am ersten Montag des vergangenen Dezembers über die gleiche Umfrage: Ein Drittel der Medizinstudierenden denkt laut einer Befragung des Verbands der Schweizer Medizinstudierenden (swimsa) darüber nach, nach dem Staatsexamen den Beruf zu wechseln und nicht als Arzt oder Ärztin zu arbeiten.
Noch am selben Abend wurde im französischsprachigen Fernsehen RTS einer der stillen Schaffer hinter der Umfrage in die Sendung «Forum» eingeladen. Marc Reynaud de la Jara, Mitglied des Advocacy Boards der swimsa und Medizinstudent im vierten Jahr, stellte sich den teils kritischen Fragen des Moderators und erklärte die Haltung der Medizinstudierenden in seiner typischen Art – unaufgeregt, seriös und ohne übermässigen Pathos.
Für diesen Stil ist der Lausanner Student innerhalb der swimsa bekannt. Reynaud de la Jara ist kein lauter Schreihals, der sein Gegenüber stetig von der eigenen Meinung überzeugen will. Sondern einer, der erst einmal überlegt, bevor er zur Tat schreitet. «Wenn ich die Themen suche, die ich mithilfe der swimsa in die öffentliche Debatte einbringen will, wähle ich nicht direkt Positionen, die ich persönlich vertrete», sagt Reynaud de la Jara. «Sondern ich versuche herauszufinden, bei welchen Themen eine grosse Mehrheit der Medizinstudierenden einer Meinung ist, und setze mich dann gezielt für diese Anliegen ein.»
Mit genau diesem Konzept wurde auch die Kampagne kreiert, die im Dezember auf die schlechten Arbeitsbedingungen der jungen Medizinerinnen und Mediziner aufmerksam machte. Das Advocacy Board der swimsa veranlasste unvoreingenommen eine Umfrage, und erst als sich ein klares Bild abzeichnete, organisierte man die Medienarbeit und verschickte schliesslich Pressemitteilungen, die für ein grosses mediales Echo sorgten.
«Mein wichtigstes Anliegen ist, dass die Medizinstudierenden nach mir die gleich guten oder sogar bessere Möglichkeiten haben als ich», erklärt Marc Reynaud de la Jara seine Motivation für das Engagement neben dem Studium. Momentan besteht seine Hauptaufgabe darin, den Anliegen der Medizinstudierenden in der Öffentlichkeit mehr Gehör zu verschaffen.
Mit seiner nachdenklichen Philosophie steht Marc Reynaud de la Jara für eine Art von Engagement für die Ärzteschaft, die sich nicht auf Partikularinteressen konzentriert, sondern die Schwerpunkte dort setzt, wo alle Ärztinnen und Ärzte einer Meinung sind. Wie erfolgreich dieser Ansatz ist, wird sich erst noch zeigen, wie Reynaud de la Jara selbst sagt. Denn er wertet auch die Kampagne der swimsa bisher noch nicht als persönlichen Erfolg: «Erst wenn sich durch unsere Arbeit wirklich etwas ändert bei den Arbeitsbedingungen, war unser Einsatz erfolgreich.»

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