Mentoring, Coaching – ein begriffliches Chrüsimüsi

Praxistipp
Ausgabe
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DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2024.1413505018
Schweiz Ärzteztg. 2024;105(35):

Publiziert am

Karriere
Was sind die Unterschiede sowie die Vor- und Nachteile von Mentoring und Coaching? Eine klare Abgrenzung hilft, die Weichen zu Beginn richtig zu stellen, auch wenn diese Berufe weder klar definiert noch geschützt sind.
Bei der Einführung von Coach my Career, dem Angebot für junge Ärztinnen und Ärzte, Hilfe für ihre Karriereplanung durch unabhängige, erfahrenere Ärztinnen und Ärzten zu bekommen, war ein Argument der Skeptiker, dass die Weiterbildungsordnungen bereits hausinternes Mentoring vorsehen würden. Dass ein solches Mentoring an vielen Häusern nicht in genügendem Ausmass angeboten werde, war das gewichtige Gegenargument. Eine «Entweder-oder-Diskussion» ist selten zielführend, wie auch der Erfolg des Programms Coach my Career zeigt. Wichtig ist es vielmehr, die Unterschiede von Mentoring und Coaching und deren Chancen und Risiken zu erkennen. So kann das Passende für die entsprechenden Problemstellungen besser gefunden werden.

Das Gleiche, aber nicht dasselbe

Mentoring und Coaching werden oft vermischt oder gleichgesetzt. Das birgt den Nachteil, dass man wesentliche Wirkungen und Nebenwirkungen übersieht. Kenntnis der Unterschiede schafft die Möglichkeit, das Richtige zu wählen: Ein Coaching geht generell von einer konkreten Problem- oder Fragestellung aus und hilft den Beratenen, umschriebene Lösungen zu finden.

Der Coach ist durch seine Unabhängigkeit freier bei der offenen Benennung von kritischen Problemen in der Institution.

Der Coach ist meist institutions- und oft auch fachfremd. Dadurch wird die Gefahr von hierarchischen Vermischungen weitgehend verhindert. Der Coach ist durch seine Unabhängigkeit freier bei der offenen Benennung von kritischen Problemen in der Institution. Die Beziehung zum Coach ist damit tendenziell auf kürzere Zeiträume befristet. Weil ein Coach nicht zur Institution gehört, besteht andererseits die Gefahr, dass er aus Unkenntnis wesentliche Wirkfaktoren bei der Problementstehung übersieht. Deshalb sind Coaches, die das Arbeitsfeld der Beratenen möglichst genau kennen, ein grosser Vorteil.

Klare Abmachungen schaffen klare Verhältnisse

Anders Mentor oder Mentorin: Meist versteht man darunter eine Person, die beruflich fortgeschritten ist, am selben Ort arbeitet und jüngeren Kolleginnen und Kollegen anfänglich hilft, den Alltag zu bewältigen und später auch eine Karriere aufzubauen. Das Verhältnis Mentor-Mentee erfordert ein hohes Mass an gegenseitigem Vertrauen. Dadurch ist die Beziehung eher längerfristig.
Dieses Verhältnis birgt jedoch die Gefahr, dass es zu hierarchischen Vermischungen kommt: Erzähle ich, dass ich bald eine längere Arbeitspause erwäge, kann das dazu führen, mich bei anstehenden interessanten Aufgaben zu übergehen. Grundlegend gilt für beide Beratungsformen die goldene Regel: Klare Abmachungen schaffen klare Verhältnisse ‒ besonders bezüglich Vertraulichkeit.

Mentoren als Attraktor eines Spitals

Wer wählt eine Ausbildungsinstitution danach, ob dort Leute arbeiten, die man gerne als Mentor oder Mentorin hätte? Für die längerfristige Berufslaufbahn kann das zentral sein. Als Voraussetzung muss ich mir klar werden und spüren, wer sich als Mentorin oder Mentor für mich eignet. Diese Passung ist individuell und kann nicht generell beschrieben werden. Entscheidend ist, dass sich die Mentees von einer solchen Person anerkannt und unterstützt fühlen. Das ist ähnlich wie die Jugendpsychiatrische Forschung aufzeigte, dass Jugendliche, die neben den Eltern eine zusätzliche Vertrauensperson haben, welche vorbehaltlos an sie glaubt (wie Lehrpersonen, Trainer, Gotte, etc.), längerfristig die besseren Chancen haben, ihr Leben gut zu meistern.
Die aufgezeigten Unterschiede zwischen Mentoring und Coaching sind arbiträr und natürlich gibt es Kombinationen. Oft lernen wir unsere Mentorin oder Mentor in einer Institution kennen, in der wir arbeiten. Die vertrauensvolle Beziehung geht aber weiter, auch wenn wir den Arbeitsort wechseln. Oder aus einem Coaching zu einer kleinen Fragestellung entwickelt sich eine längerfristige Begleitung: Zu Beginn des Prozesses sind die strukturellen Unterschiede wichtig, längerfristig entscheidet der gebotene Inhalt und vor allem die Qualität der Beziehung.
Dr. med. Jürg Unger Der Initiator von «Coach my Career» wird oft auch als atypischer Kinderpsychiater bezeichnet. Sein Motto lautet: «Actions speak louder than words.» An dieser Stelle schreibt er regelmässig über Karrierefragen.

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