CAR-T-Zelltherapie gegen Lupus und Co.

CAR-T-Zelltherapie gegen Lupus und Co.

Wissen
Ausgabe
2024/2932
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2024.1443340688
Schweiz Ärzteztg. 2024;105(29–32):86-87

Publiziert am 17.07.2024

Immunsystem
Bisher als Immuntherapie gegen Krebs eingesetzt, könnte die CAR-T-Zelltherapie künftig auch Patientinnen und Patienten mit schweren Autoimmunerkrankungen zugutekommen – und einige vielleicht sogar heilen.
Systemischer Lupus erythematodes, kurz Lupus, ist eine unberechenbare Krankheit: Anstatt sich gegen Krankheitserreger zu richten, greift das Immunsystem körpereigene Zell- und Gewebestrukturen an. Viele Betroffene leiden unter starker Müdigkeit, Fieber, Hautausschlag und schmerzhaften Entzündungen in Muskeln und Gelenken. Aber auch Niere, Nerven- oder blutbildendes System, Herz oder Lunge können betroffen sein. Je nachdem, welche Organe das Immunsystem angreift und wie stark, ist Lupus eine leichte, schwere oder lebensbedrohliche Krankheit.
Betroffene werden meist dauerhaft mit Kortison und einer Kombination unterschiedlicher Immunsuppressiva behandelt, doch bei manchen lässt sich die Krankheit nicht kontrollieren. So auch bei einer Patientin, deren Fall kürzlich im Fachmagazin The Lancet vorgestellt wurde [1]: Mit 15 Jahren erkrankte die junge Frau schwer an Lupus. Sie litt unter Hautausschlägen, Fieber und Arthritis, und auch eine Kombination mehrerer immunsupprimierender Medikamente konnte nicht verhindern, dass ihre Niere schliesslich versagte. Sie musste alle paar Tage zur Dialyse und zusätzlich zu Immunsuppressiva auch Medikamente zur Senkung des Blutdrucks einnehmen.
Aufgrund des schweren Krankheitsverlaufs und der schlechten Prognose erhielt sie eine sogenannte CAR-T-Zelltherapie. Zugelassen und weltweit an spezialisierten Zentren angewendet wird diese neuartige Immuntherapie bisher nur zur Behandlung mancher Formen von Leukämie und Lymphdrüsenkrebs – dies, wenn die Standardtherapie versagt.

Ein Neustart des Immunsystems

Bei der Therapieform werden dem Blut der Betroffenen sogenannte cytotoxische T-Zellen entnommen: Immunzellen mit der Fähigkeit, gezielt Körperzellen zu zerstören, die beispielsweise von Viren befallen oder krankhaft verändert sind. Sie werden gentechnisch so verändert, dass sie Zellen erkennen und angreifen können, die ein bestimmtes Oberflächenprotein aufweisen. Diese veränderten T-Zellen werden der Patientin oder dem Patienten verabreicht und zerstören im besten Fall die Krebszellen.
«Wir haben diese neue Immuntherapie von Anfang an mit Interesse verfolgt», sagt Prof. Dr. med. Georg Schett, Professor für Innere Medizin und Klinikdirektor am Zentrum für Immuntherapie des Universitätsklinikums Erlangen. Da sich die meisten onkologischen CAR-T-Zelltherapien gegen sogenannte B-Zellen richten würden, hätten er und sein Team von Anfang an vermutet, dass sich auch schwere Autoimmunerkrankungen damit behandeln liessen. Denn auch dort gibt es oft ein Problem mit den B-Zellen. Das sind die Immunzellen, die eigentlich Antikörper gegen Viren und weitere Krankheitserreger produzieren sollten – und die bei Lupus stattdessen gegen körpereigenes Gewebe reagieren.

«Für schwer kranke Patientinnen ist die CAR-T-Therapie ein Silberstreifen am Horizont», sagt Britta Maurer.

Werden durch die CAR-T-Zelltherapie alle autoreaktiven B-Zellen zerstört, können sich im Knochenmark neue, gesunde B-Zellen bilden. Die Person wäre damit geheilt, so zumindest die Idee.

Anzeichen der Krankheit verschwunden

Überzeugt vom Potenzial, behandelten Schett und sein Team am Uniklinikum Erlangen seit 2021 insgesamt 15 Personen mit einer CAR-T-Zelltherapie: Zunächst nur solche mit einem schweren Verlauf von Lupus, danach weitere Personen mit schweren Autoimmunerkrankungen. Erste Resultate publizierten sie 2022 im Fachmagazin Nature Medicine [2], weitere diesen Februar im New England Journal of Medicine [3]. Die Daten deuten darauf hin, dass die Therapie bei Lupus «durchführbar, verträglich und hochwirksam» ist. Nach durchschnittlich 15 Monaten waren alle Behandelten trotz Absetzen immunsuppressiver Medikamente in Remission oder hatten einen erheblichen Rückgang der Symptome. «Natürlich werden wir die Betroffenen noch über Jahre begleiten, aber im Moment ist kein Anzeichen ihrer Krankheit mehr da, die meisten können wieder ein normales Leben führen», sagt Schett.
Bereits sei am Uniklinikum Erlangen eine Folgestudie angelaufen, und weltweit hätten weitere Forschungsgruppen und die Pharmaindustrie das Thema entdeckt. «Das Potenzial ist riesig – nicht nur für Lupus, sondern für alle schweren Autoimmunerkrankungen, bei denen B-Zellen das Hauptproblem darstellen.»

Therapie für schwere Verläufe

Diese Einschätzung teilt Prof. Dr. med. Britta Maurer, die als Professorin für Rheumatologie zu systemischen Autoimmunerkrankungen forscht und als Klinikdirektorin der Universitätsklinik für Rheumatologie und Immunologie des Inselspitals Bern auch die schweren Schicksale der mehrheitlich jungen Lupus-Patientinnen kennt, die nicht auf die Standard-Therapie ansprechen. «Sie stehen meist mitten im Leben und haben zum Teil einen unerfüllten Kinderwunsch, dessen Erfüllung die aktive Krankheit und die mehrfache Immunsuppression zum Teil erheblich verzögern oder sogar verunmöglichen. Zudem haben sie ein hohes Risiko, schwerwiegende Organschäden zu erleiden. Für diese schwer kranken Patientinnen ist die CAR-T-Therapie ein Silberstreifen am Horizont.» Diesen Februar habe nun auch am Inselspital eine erste Patientin mit schwerem, bisher nicht therapierbarem Lupus die Therapie erhalten – im Rahmen einer internationalen Multicenter-Studie mit einem Industriepartner. Die Therapie erfolgte in enger Zusammenarbeit mit Onkologie und Hämatologie.
Trotz des Potenzials kommt die Therapie nicht für alle Personen mit schweren Autoimmunerkrankungen infrage. «Nicht bei allen sind die B-Zellen das Hauptproblem», sagt Maurer. Sorgfältige Abklärungen im Vorfeld seien daher zentral. Limitierend sei auch, dass man bereits etwa einen Monat vor der CAR-T-Zelltherapie sämtliche immunsupprimierenden Medikamente absetzen müsse, um dann T-Zellen in genügender Menge und Qualität entnehmen zu können. «Manche sind dazu schlichtweg zu krank», sagt Maurer.
Schett teilt die Einschätzung, dass die CAR-T-Zelltherapie Personen mit schweren Verläufen von Lupus und weiteren Autoimmunerkrankungen vorbehalten sein wird, bei denen die konventionelle Therapie versagt. «Aber für diese meist jungen Menschen kann die Therapie ein neues Leben bedeuten.» Etwa für die eingangs erwähnte 15-jährige Patientin. Laut The Lancet ist sie heute medikamentenfrei, nicht mehr auf Dialyse angewiesen und «voll aktiv in ihrem täglichen Leben» [1].
1 Krickau T, Naumann-Bartsch N, Aigner M, Kharboutli S, Kretschmann S, et al. CAR T-cell therapy rescues adolescent with rapidly progressive lupus nephritis from haemodialysis. Lancet. 2024 Apr 27;403(10437):1627-1630. doi.org/10.1016/S0140-6736(24)00424-0
2 Mackensen A, Müller F, Mougiakakos D, Böltz S, Wilhelm A, et al. Anti-CD19 CAR T cell therapy for refractory systemic lupus erythematosus. Nature Medicine. 2022 Oct;28(10):2124-2132.
doi: 10.1038/s41591-022-02017-5
3 Müller F, Taubmann J, Bucci L, Wilhelm A, Bergmann C, et al. CD19 CAR T-Cell Therapy in Autoimmune Disease – A Case Series with Follow-up. New England Journal of Medicine. 2024 Feb 22;390(8):687-700.
doi: 10.1056/NEJMoa2308917. PMID: 38381673.

© Fromout / Dreamstime

Kommentare

Mit der Kommentarfunktion bieten wir Raum für einen offenen und kritischen Fachaustausch. Dieser steht allen SHW Beta Abonnentinnen und Abonnenten offen. Wir publizieren Kommentare solange sie unseren Richtlinien entsprechen.