Mini-Därme für die Krebsforschung
Wissenschaftler der Eidgenössischen Technischen Hochschule Lausanne (EPFL) haben im Labor Miniaturdärme gezüchtet, die die Entwicklung von Kolorektaltumoren naturgetreu nachahmen können. Dieser Ansatz eröffne neue Perspektiven für die Erforschung der Krankheit und das Testen von Behandlungsmethoden, wie die EPFL mitteilt.
Das Forschungsteam der EPFL unter der Leitung von Matthias Lütolf hat ein neues Miniatur-Gewebemodell des Dickdarms entwickelt, das in der Lage ist, den komplexen Prozess der Tumorentstehung originalgetreu und ausserhalb des Körpers zu simulieren. Dieser ermögliche die Herstellung von Tumoren, die den in vivo vorkommenden Tumoren sehr ähnlich seien. Die Forschungsergebnisse wurden kürzlich im Fachmagazin «Nature» veröffentlicht.
Die Miniaturdärme seien aus topobiologischer Sicht komplex. So bildeten sie nicht nur die physische Struktur des Dickdarmgewebes nach, sondern auch die in vivo beobachtete Zellvielfalt in gesundem und pathologischem Zustand. Ausserdem könnten die Minidärme dazu gebracht werden, Tumore «nach Belieben» und in gezielten Bereichen zu entwickeln, was einen grossen Vorteil für die Krebsforschung darstelle.

Tumorbildung in Echtzeit beobachten

Indem das Team ein blaulichtempfindliches System in die Miniaturdärme einbauten, habe es diese kontrollierten onkogenen Mutationen unterzogen, wodurch die Entwicklung des Tumors «in einem noch nie dagewesenen Detailgrad» habe verfolgt werden können. Dieser optogenetische Ansatz habe es ermöglicht, gezielte Veränderungen in bestimmten Zellpopulationen innerhalb der Miniaturdärme hervorzurufen und so das lokalisierte Auftreten von Darmkrebs im Körper nachzubilden.
«Wir haben mit Licht die Tumorigenese ausgelöst, indem wir Mutationen onkogener Faktoren in gesunden, biotechnologisch hergestellten epithelialen Dickdarm-Organoiden aktiviert haben», sagt Matthias Lütolf. «Dies ermöglicht es, die Tumorbildung in Echtzeit zu beobachten und sehr detaillierte Analysen eines Prozesses durchzuführen, der bei Mäusen nur sehr schwer zu untersuchen ist.» Die Möglichkeit, diese Veränderungen mithilfe von Licht in Miniatur-Dickdarmgewebe auszulösen, ermögliche nicht nur eine präzisere und kontrolliertere Aktivierung der Onkogene, sondern biete auch ein Werkzeug, um die Prozesse der Tumorentwicklung und die Zellreaktion auf diese Mutationen in Echtzeit zu untersuchen.

Verwendung von Tiermodellen reduzieren

Durch die Manipulation der genetischen und Umweltbedingungen sei es ausserdem auch möglich, verschiedene Tumorverhaltensweisen in den Miniaturdickdarmsystemen nachzubilden und zu beobachten. Sie konnten sogar Schlüsselfaktoren identifizieren, die das Fortschreiten des Krebses beeinflussen - zum Beispiel die Verbindung des GPX2-Proteins mit den Eigenschaften von Stammzellen und dem Tumorwachstum.
Mit den Miniaturdärmen habe man nun ein Instrument, zur Erforschung der Mechanismen, die Darmkrebs verursachen, und zum Testen potenzieller Therapien. Die Fähigkeit des Miniaturdarms, die Entwicklung von Tumoren nachzubilden, könne auch die Verwendung von Tiermodellen verringern, was die Entdeckung und Entwicklung neuer Behandlungsmethoden beschleunigen könne.

Kommentare

Mit der Kommentarfunktion bieten wir Raum für einen offenen und kritischen Fachaustausch. Dieser steht allen SHW Beta Abonnentinnen und Abonnenten offen. Wir publizieren Kommentare solange sie unseren Richtlinien entsprechen.