Auf den Punkt

«Das gedruckte Heft genügt nicht mehr»

News
Ausgabe
2024/06
DOI:
https://doi.org/10.4414/saez.2024.1317709499
Schweiz Ärzteztg. 2024;105(06):8-9

Publiziert am 07.02.2024

Digitalisierung
Das Gesundheitsheft ist vertrauter Begleiter von jungen Eltern. Im Idealfall enthält es alle wichtigen Gesundheitsschritte eines Kindes von der Geburt bis zum Jugendalter. Im weniger idealen Fall ist es schon bald unauffindbar. Deshalb muss das Heft unbedingt digitalisiert werden, sagt Susanne Stronski, Vorstandsmitglied von Pädiatrie Schweiz und Präsidentin des Vereins Digitales Gesundheitsheft.
Susanne Stronski, seit 1994 wird das Gesundheitsheft von Pädiatrie Schweiz in gedruckter Form an frischgebackene Eltern verteilt. Ein Erfolgskonzept?
Mit dem Gesundheitsheft erreichen wir bei den Neugeborenen respektive bei ihren Eltern eine Abdeckungsrate von weit über 90%. Es wird in den Spitälern, Geburtshäusern und auch bei Hausgeburten verteilt und stellte 1994 einen der ersten sogenannten «patient-held records» dar. Eine Idee bei der Einführung war, das Selbstmanagement der Eltern zu fördern. Gleichzeitig gewährleistet das Gesundheitsheft die Kontinuität in der Versorgung der Kinder und Jugendlichen, vermeidet Redundanzen und dient als transdisziplinäres Tool. Denn es ist sowohl beim Besuch der Hebamme dabei wie auch beim Kinderarzt.
Klicken statt blättern: Das Gesundheitsheft von Pädiatrie Schweiz soll digital werden.
© Maglara / Dreamstime
Weshalb soll es nun digitalisiert werden?
Das Thema Digitalisierung steht schon länger im Raum. Das gedruckte Heft genügt in der heutigen Zeit nicht mehr. Zum Beispiel: Was passiert, wenn sich die Eltern trennen? Dann bleibt das Heft bei einem Elternteil, während der andere mit dem Kind in die Arztpraxis geht. Zudem gibt es viel Forschung dazu, wie Eltern mit digitalen Informationen umgehen. Etwa von Prof. Julia Dratva, die vonseiten der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) für das Projekt mitverantwortlich ist. Eltern sind heute digital orientiert und holen sich ihre Informationen im Internet. Auf Elternwebsites, bei Gesundheitsdiensten oder bei Kliniken. Da stellt sich die Frage: Warum bieten wir als Fachgesellschaft nichts Vergleichbares in Form einer Website und einer App an?
Das klingt einleuchtend. Trotzdem ist es bis jetzt schwierig, Geldgeber für das Projekt zu finden.
Das stimmt leider. Deshalb haben wir Ende 2021 den Verein Digitales Gesundheitsheft gegründet, der von Pädiatrie Schweiz, der ZHAW und vom Kollegium für Hausarztmedizin getragen wird. Dieses Jahr arbeiten wir intensiv daran, Gelder zu akquirieren und sind mit einigen Organisationen im Gespräch. Die Schwierigkeit ist, dass wir uns nicht für Forschungsfördergelder bewerben können – obwohl alle sehr interessiert an den Daten aus unserem Projekt sind.
Wie meinen Sie das?
Zurzeit ist viel in Bewegung, um Spitaldaten über die Kinder- und Jugendgesundheit zusammenzuführen. Aber diese decken längst nicht die gesamte Kinderpopulation ab. Aus dem ambulanten Bereich fehlen uns Daten. Hier könnte das digitale Gesundheitsheft eine Lücke schliessen, weil es auch die Daten von «gesunden» Kindern umfassen würde.
Ist auch eine Schnittstelle zum elektronischen Patientendossier (EPD) geplant?
Wir streben eine Schnittstelle an, sodass die Daten aus dem Gesundheitsheft ins EPD übertragen werden können. Mir ist wichtig, anzumerken, dass das Gesundheitsheft keine Konkurrenz zum EPD darstellt.
Gibt es erfolgreiche Beispiele aus dem Ausland?
Ja, zum Beispiel aus den Niederlanden, wo es bereits eine entsprechende App gibt. An einem Kongress haben wir uns zu den Erfahrungen ausgetauscht. In den Niederlanden zeigt sich, dass die Väter sich bei der digitalen Version stärker involvieren. Zudem wird in der App auf weitere Gesundheitsinformationen für Kinder und Jugendliche verwiesen.
Ist das auch hier in Planung?
Vorerst ist es unser Ziel, bis Ende des Jahres ein Pilotprojekt auf die Beine zu stellen. Zu einem späteren Zeitpunkt möchten wir die Applikation auch mit glaubwürdigen externen Quellen verknüpfen. So können wir den Eltern eine Art Guide zur Verfügung stellen. Eine Auswahl an Informationen, bei denen sie wissen, dass sie verlässlich sind. Aus meiner Sicht gehört das zu den Aufgaben einer Fachgesellschaft.
Sie werden dieses Jahr eine Befragung zum Gesundheitsheft unter Ihren Mitgliedern durchführen. Was ist das Ziel der Befragung?
Mit der Befragung wollen wir zum einen abklären, wie wir das Gesundheitsheft inhaltlich verbessern können. Zum anderen wird sie Fragen zur Digitalisierung enthalten. Denn eine der Herausforderungen für das digitale Gesundheitsheft wird das Zusammenspiel mit dem Primärsystem in den Praxen sein. Bisher werden die Notizen von Hand eingetragen, das ist einfach.
Und in der Zukunft?
Setzen wir auf die Eltern. Diese kommen bereits heute mit Apps in die Praxis, in denen sie etwa die Wachstumskurve ihres Kindes eintragen. Sie werden deshalb keine Probleme haben, Daten in das digitale Gesundheitsheft einzutragen.
Dr. med. Susanne Stronski Fachärztin für Kinder und Jugendliche, Master of Public Health, Vorstandsmitglied von Pädiatrie Schweiz, Präsidentin des Vereins Digitales Gesundheitsheft.